Das Interview führte Markus Thaller-Treml
JPS: „Grüß Gott! Ich danke meinerseits für die Einladung und Ihr Interesse.“
MTT: „Sie waren bisher in keinerlei politischer Funktion tätig. Was hat Sie bewogen, für das höchste politische Amt in Österreich zu kandidieren?“
JPS: „In Abwandlung eines wohl bekannten Sprichwortes möchte ich sagen, dass der Fisch vielleicht beim Kopf beginnen kann zu heilen. Da der Bundespräsident neben dem Amt des Bürgermeisters die einzige persönlich gewählte politische Funktion ist, stehen ihm auch umfassende Möglichkeiten zu, die Interessen der Menschen zu vertreten, die ihn gewählt haben. So kann der Bundespräsident Volksbefragungen und Volksbegehren anordnen, er beurkundet Gesetze und setzt sie damit in Kraft. Er hat dies auch zu unterlassen, wenn die Gesetzesentwürfe beispielsweise nicht mit der Verfassung vereinbar sind. Dem Bundespräsidenten obliegt weiters die Angelobung, also Einsetzung von willkürlich durch gewählte Parteien vorgeschlagene Personen in gewissen Ämtern wie dem Bundeskanzler, Ministern, Landeshauptleuten etc. Ebenso kann der Bundespräsident – nein, ist es seine Pflicht – eine Bundesregierung entlassen, wenn sie gegen die Interessen und das Wohlbefinden der Menschen im Land handelt. Diese Verantwortungen möchte ich gewissenhaft ausüben und genau diese Versäumnisse in der bisherigen Ausübung des Präsidentschaftsamtes will ich nachholen.“
MTT: „Das sind ambitionierte Ziele für jemanden der, Sie verzeihen mir diese Direktheit, über keinerlei Erfahrung in der Politik verfügt. Wie wollen Sie sich diesen Herausforderungen stellen?“
JPS: „Sie sprechen gerade eines der größten Probleme unseres Landes an – Berufspolitiker. Typische Beispiele sind Personen, die sich schon während des Studiums etwa in ÖH-Fraktionen engagieren, dann nach dem Abschluss des Studiums (oder stattdessen) in den öffentlichen Dienst eintreten oder direkt in eine Partei und sich dort nach oben manövrieren, ohne jemals im privatwirtschaftlichen Berufsfeld eine Lebensphase bestritten zu haben und Erfahren zu haben, wie es sich in unserem Land so lebt, wenn man nicht Teil des Systems ist. Jemand, der ALLE Menschen im Land vertreten möchte, sollte aus meiner Sicht auch viele Jahre genau solcher Lebenserfahrungen haben, wie sie die meisten Menschen in unserem Land tagtäglich machen.“
MTT: „Die Forderung nach begrenzten Amtszeiten nach einem Wechsel zwischen Privatwirtschaft und Politik ist in unserem Land nicht neu. Weshalb denken Sie, dass es etwas anderes ist, wenn Sie es anstreben?“
JPS: „Einerseits muss es nicht neu sein, denn etwas Gutes darf auch von mehreren und anderen Personen immer wieder aufgegriffen werden. Andererseits glaube ich, Sie sprechen eine bestimmte Partei an, von der dies propagiert wurde. Als diese Partei noch wählbar war, hat Matthias Strolz immer wieder gesagt, Politik sei der Ort, an dem sich die Menschen ausmachen, wie sie miteinander leben wollen. Nun, in meiner Wahrnehmung ist Politik der Ort, an dem einige wenige dort willkürlich eingesetzte Leute dem Großteil der Menschen im Land aufzwingt, wie sie zu leben haben. Und auch die ehemaligen Mitkämpfer von Herrn Strolz haben ihren Platz genau dort eingenommen, wo sie heute sind, in der etablierten Parteienlandschaft, und einige ihrer eigenen Werte wie Selbstbestimmung, Eigenverantwortung oder auch evidenzbasierte Politik – also auf wissenschaftlichen Tatsachen beruhende Entscheidungen – diese haben sie nicht nur vergessen, sie handeln in der jüngsten Vergangenheit geradezu dagegen, treten sie aus meiner Sicht mit Füßen.“
MTT: „Selbstbestimmung, Eigenverantwortung, Gesetze die der Präsident so nicht befürwortet, nicht in Kraft setzen, die Regierung entlassen ... Herr Schutte, das klingt fast schon anarchistisch. Sehen Sie die Position des Bundespräsidenten als die eines Revolutionsführers?“
JPS: „Nein, ganz im Gegenteil. Wenn ich die letzten beiden Jahre betrachte, wenn ich mir bewusst mache, dass Österreich von der Universität in Göteborg zu einer Wahldemokratie herabgestuft wurde, auf denselben Status wie etwa Ghana, das nach dem Demokratieindex von 2019 als unvollständige Demokratie bewertet wird. Für mich bedeutet das, in unserer Republik wurde durch eine politische Revolution den Menschen das Recht zur Mitbestimmung genommen. Und jetzt gilt es diese Revolution zu beenden! Eine Revolution, bei der sich die Regierungsparteien genauso wie Parteien der angeblichen Opposition gemeinsam mit der Exekutive und vielen politisch besetzten Personen im Richteramt und in den Staatsanwaltschaften einig waren, die voneinander unabhängigen Machtsysteme unseres Staates gleichzuschalten. Es muss wieder Unabhängigkeit einander ergänzender und einander kontrollierender Machtbereiche in Österreich hergestellt werden, diese Schieflage der Macht muss wieder ins Gleichgewicht kommen.“
MTT: „Und Sie sind nun der Auffassung, dass der Bundespräsident diese Schieflage, wie Sie es nennen, mit einem Handstreich wieder geraderücken kann?“
JPS: „Etwas so Komplexes wie ein Staatsgefüge, wie ein komplettes Rechtssystem, kann man nie mit einem Handstreich oder auch nicht mit wenigen Handgriffen umbauen. Und auch nicht ohne Erfahrung, die ich, wie Sie ja bereits kritisch hinterfragt hatten, nicht habe. Ich finde solche Fragen überaus konstruktiv, denn nur durch kritische Medien werden Fragen gestellt, aus deren Antworten man sich ein Bild machen kann, wie jemand tickt.
Dazu erlaube ich mir mit einem einfachen Beispiel etwas weiter auszuholen.
Wir kennen alle eine Sperrlinie auf der Straße und wissen, da dürfen wir nicht drüberfahren. Und eine doppelte Sperrlinie? Wie kann man da doppelt nicht drüberfahren? Dazu habe ich einmal die Erklärung bekommen, dass man eine einfache Sperrlinie nicht überfahren, also nicht mit dem Reifen darüberfahren darf, und eine doppelte Sperrlinie nicht überragen darf. Bei einer solchen muss somit auch der Raum über den beiden Linien frei bleiben und Teile wie etwa der Seitenspiegel dürfen nicht oberhalb der Linie in den Luftraum ragen. Logisch fortgesetzt heißt das, zwei einander entgegenkommende Fahrzeuge können im Luftraum über eine einfachen Sperrlinie mit den Außenspiegeln kollidieren, ohne dass jemand die Straßenverkehrsordnung verletzt hat. Ein Unfall, an dem nun wer schuld ist? Konsequent gedacht, verursacht ein schlechtes Gesetz so einen Unfall, bei dem sich niemand rechtswidrig, sehr wohl aber falsch verhalten hat.
Solche Kleinigkeiten machen für mich deutlich, was juristisch in unserem Land nicht stimmt. Geschriebenes Recht und die praktische Realität stehen nicht im Einklang. Ob nun eine einfache Sperrlinie ausreicht, die man nicht überragen darf, oder es nur mehr eine doppelte gibt, ist mir egal, aber so wie es jetzt ist, ist es unnötig kompliziert und funktioniert nicht einmal.“
MTT: „Wenn ich Sie richtig verstehe, würden Sie als Bundespräsident alle Gesetze vereinfachen und funktional verbessern wollen. Wie wollen Sie das jemals bewältigen?“
JPS: „Ich? Keinesfalls ich alleine. Eine Projektgruppe von Fachleuten, die ich für die Dauer meiner Amtszeit dafür einsetze, wird sich damit befassen. Die Dringlichkeit, in welchen Bereichen dies geschieht, werden mir Menschen quer aus der Bevölkerung mitteilen, für die ich vierzehntägig Termine zu persönlichen Gesprächen zu Verfügung stellen werde, und was dann wirklich beschlossen und neues gültiges Recht in Österreich wird, das werden Juristen vorschlagen und darüber werden die Menschen abstimmen. Damit schließt sich der Kreis unseres Interviews, als ich eingangs erwähnt hatte, dem Bundespräsidenten obliegt es, Volksabstimmungen über Gesetzesvorschläge anzuordnen.
Meinen Mangel an Erfahrungen, den Sie hinterfragt hatten, ersetze ich durch die Kompetenzen und Erfahrungen aller Menschen, die ich zusammenbringen werde. Im Gespräch mit mir, als juristische Projektgruppe durch mich beauftragt, werden wir gemeinsam Politik tatsächlich zu einem Ort machen, an dem wir uns ausmachen, wie wir miteinander leben wollen. Und dieses ICH durch ein WIR zu ersetzen, das sehe ich als Grundlage der Amtsausübung eines Bundespräsidenten. Für dieses WIR stehe ich und dafür kandidiere ich.“
MTT: „Herr Schutte, vielen Dank für das Gespräch.“